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Schadenanalyse

Position MickMoon

Montag, 27.1.2025, 12:00 UTC

N 27°44.788'  W 015°37.196'

Puerto Pasito Blanco, Gran Canaria

Nach 3 Stunden wachen wir auf. Die Sonne scheint und um uns herum schwojen Katamarane und Yachten in der Bucht vor der Hafeneinfahrt. Zuerst mal Kaffee, damit kommen die Lebensgeister zurück. Volker hatte von unterwegs schon mit der Marina telefoniert und uns einen Platz reservieren lassen. Darüber sind wir sehr froh, denn wegen des kommenden Sturms aus NordNordOst gehen viele Yachten in den Süden der Insel und suchen dort Schutz. Wir machen uns daran das Segelgeschirr abzubauen und Klar Schiff zu machen. Der Spibaum bei den alten Amel wird mit 4 Leinen in Position gehalten: nach vorn und hinten je eine und nach oben und unten auch je eine Leine. Damit lässt sich der äussere Punkt des Baums in jeder Richtung fest fixieren. Die Schot muss nie die Aufgabe der Fixierung des Spibaums übernehmen, sondern muss nur das Segel einstellen. So kann bei ausgestelltem Spibaum das Segel durch Einrollen gerefft werden. Wir bauen die Konstruktion ab, nehmen die Leinen zusammen und verstauen den Spibaum an der Fußreling an seinem Platz. Den Großbaum befreien wir von seinem Bullenstander und zurren ihn mittschiffs mit der Großschot fest. Wir überlegen, ob wir ein Schlauchboot der Marina anfordern, um uns in den Hafen zu bugsieren. Da wir aber zuerst an die Tankstelle direkt an der Hafeneinfahrt und von dort aus alles weiter planen wollen, einigen wir uns auf einen Versuch, selbst die Pier anzulaufen. Also Ankerauf und hinein. Volker gelingt es gut das Boot an die Tankstellenpier zu bekommen. Der Rest ist Arbeit mit den Leinen und Festmachern. 185 l Diesel tanken wir für 320 Seemeilen, das ergibt einen Verbrauch von 2,5l Diesel pro Stunde. Kein schlechter Wert. 

Der Liegeplatz, der für uns vorgesehen ist, befindet sich gerade drei Bootslängen von der Tankstellenpier entfernt, liegt außen und hat zur Zeit keine Boote drumherum. Freies Wasser zum Manövrieren also. Langsam, sachte und mit mit viel Unterstützung des Bugstrahlruders hangeln wir uns zum Steg. Achterleinen fest, Eindampfen voraus und die Mooringleine am Bug durchholen. Motor aus und fest! Hat alles ohne große Probleme geklappt. Ein Bugsierdinghi stand eh nicht zur Verfügung erfahren wir, weil heute Sonntag ist. Da hat die Marina nur eine Notbesetzung. Alle anderen haben frei. 

Nachdem wir geduscht und ordentlich gegessen haben, holen wir den Werkzeugkasten hervor. Unter der Koje von Volker im Achterschiff befindet sich der Ruderquadrant, der von den Steuerseilen gedreht wird, damit sich das Ruder in die eine oder andere Richtung bewegt. 

Als erstes begutachten wir die Verbindungsstange zwischen Autopilotantrieb sind Ruderquadrant. Die ist verbogen und der Verbindungsbolzen am Quadranten ist gebrochen. Schnell wird klar, dass es ein Dauerbruch ist, der durch permanente Hin- und Herbewegung üsberlastet war und so Stück für Stück geschwächt wurde bis es zum Bruch kam. 

Dann zerlegen wir die Befestigungskonstruktion der Seilzüge und stellen dabei ein völlig übergroßes Spiel fest. 

Als letztes bauen wir das Lenkgetriebe aus. Das sitzt hinter der Schottwand des Cockpits, im Oberschrank über der Pantry. Von hier werden die Steuerseile von zwei Zahnstangen gegenläufig angetrieben. Wenn der eine Zug zieht, schiebt der andere und umgekehrt. 

Und beim Ausbauen des Getriebes bemerken wir, dass beide Seile hier abgerissen sind. Der eine wird scheinbar schon länger gebrochen sein, da er am Ende sehr verquatscht und verknotet aussieht, nachdem er etliche Zeit schon nur noch gedrückt und geschoben wurde. Wahrscheinlich ist der verbleibende zweite Zug dann beim oder nach dem Bruch des Autopilotbolzens ebenfalls gerissen. So konnte das Steuerrad nicht mehr an den Seilen ziehen und nur mit extrem großem Spiel drücken. Das erklärt einigermaßen die fehlende Steuerbarkeit des Boots. 


Auf dem Steg erscheint Augustin, der Stationsofficer unseres Segelvereins OCC. Der Ocean Cruiser Club unterhält hier eine Dependence. Augustin empfiehlt uns die Werkstatt von Jorge Ramos auf dem Werftgelände. Er würde morgens immer um 0800h seinen Workshop öffnen. 

Und tatsächlich kann Jorge weiterhelfen: Nach einer Zeichnung, die wir für eine neue Verbindungsstange des Autopiloten erstellt haben, beauftragt er in einer Dreherei zwei Ersatzteile. Für die Reparatur der Seilzüge bitten wir um die Herstellung von zwei 30 cm lange Stangen aus 10mm rostfreiem Stahl. Auf der einen Seite ein Gewinde M10, auf der anderen Seite mit einer Bohrung zur Aufnahme des Drahtes des Bowdenzugs, der hier eingepresst werden kann. Jetzt heißt es warten. 


Unsere Hoffnung bei einem Spezialisten für Bootslenkungen in Deutschland eine Sonderanfertigung eines neuen Zugseils zu erhalten zerschlägt sich nach zwei Tagen. Der Zug wird nicht mehr hergestellt und es ist kein Ersatz zu finden. Nirgends ist er vorrätig. Gibt es nicht mehr. 😡




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Kommentare: 2
  • #1

    Matt (Freitag, 07 Februar 2025 17:23)

    Welch schöner Exkurs in den angewandten Maschinenbau.
    Eure Maßnahmen klingen nach einem guten Plan. Wahrscheinlich gibt es Hunderte Yachten, bei denen die Steuerseile durch Dauerbruch im Laufe der Lebe
    Aber es zeigt sich auch, wieviel „Glück“ ihr hattet, dass euch der Bruch nur 110 nm vom Ausgangspunkt passiert ist.

  • #2

    Jens (Freitag, 07 Februar 2025 17:52)

    Ja, das war wirklich ein Glück. Zumal auch das Wetterfenster zu ging und sich Sturm auf der Strecke angekündigt hatte. 5 Tage mit Notpinne ist nicht erstrebenswert.